Hier könnt ihr das spannende Streitgespräch zwischen Volker Beck (Grüne) und Michael Schmidt-Salomon (gbs) aus der Christian-Wilhelms-Universität zu Kiel vom 9. Mai 2019 nachverfolgen. Ein Anlass dazu war eine Äußerung Becks, dass der Säkularismus ebenso antifreiheitlich sei wie der Islamismus. Schmidt-Salomon hält dagegen, dass erst eine staatliche Säkulaität die Grundlage für Religionsfreiheit bilde. Kurzvorträge, Streitgespräch und Fragen aus dem Publikum bieten knapp 2 Stunden kontroverse, teils auch einvernehmliche Debatte.
Hier das gesamte Video:
Volker Beck argumentiert gleichzeitig, dass der Staat eingreifen muss, wenn Eltern (Zeugen Jehovas) aufgrund ihres Glaubens ihren minderjährigen Kindern trotz medizinischer Indikation Bluttransfusionen verweigern – er aber nicht eingreifen darf, wenn Eltern (Juden und Muslime) aufgrund ihres Glaubens ihre minderjährigen Kinder ohne medizinische Indikation beschneiden..🤦♂️
Eine unfreiwillige Amputation ist eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts und eine Verletzung der genitalen Integrität (Körperverletzung).
„Jeder halbwegs gute Jurist, der sich einmal mit unserer Grundrechtsdogmatik beschäftigt hat, weiß, dass Religionsausübungsfreiheit niemals Eingriffe in Freiheitsgrundrechte rechtfertigen kann, die anderen Personen zustehen, schon gar keine Substanzverletzungen des menschlichen Körpers..“
§ 1631d BGB abschaffen..!
Eine Debatte über Toleranz, die interessant hätte werden können, wenn Volker Beck nicht derart arrogant (z. B. an Michael: „Ich habe Ihre Bücher nicht gelesen.“) agiert hätte. Bei seiner Aussage „Jetzt wird’s banal“ muss der Spiegel, in den er offenbar hineinschaute, wegretuschiert worden sein. Dabei outet er sich selbst als geistergläubig und bedankt sich bei Gott für die mittlerweile größere Akzeptanz Homosexueller in unserer Gesellschaft, offenbar vergessend, dass dieser „Gott“, bei dem er sich bedankt, den Hass gegen Homosexuelle – glaubt man der Legende – erst in sein göttliches Regelwerk diktiert hatte.
Unerträglich ist auch Volker Becks erneute Verteidigung der Genitalverstümmelung zufällig in jüdische oder muslimische Familien geborener Knaben. Er schwafelt völlig herzlos, die Genitalverstümmelung sei konstitutiv für das Judentum und verliert völlig die Opfer dieses barbarischen Ritus aus vormoderner Zeit aus den Augen. Allein dieses Beispiel zeigt, wie sehr Becks Denken auf die kritiklose Verteidigung irrationaler Ideologien hin ausgerichtet ist – was er makabrer Weise für die gläubigen Abgeordneten des Bundestages kategorisch ausschließt.
Der Mensch mit seinen Bedürfnissen kommt bei ihm nur noch selektiv vor, „göttliche“ Regeln stünden über dem menschenrechtlich und verfassungsgemäß verbrieften Recht (z.B. die Art. 1, 2, 3 und 4 sowie 140 GG), sodass die Opfer dieses Kindesmissbrauchs, der verharmlosend als „Beschneidung“ bezeichnet wird, zur Teilnahme an einer religiösen Übung (Art. 140, 4 GG: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“) gezwungen werden, ihre Würde verlieren (Art. 1 GG), körperlich verletzt werden (Art. 2 GG), Knaben schlechter behandelt werden als Mädchen (Art. 3 GG) und dauerhaft als Zugehörige zu einer und auch noch einer bestimmten Religionsgemeinschaft markiert werden, die irreversibel ist – also eine Beschneidung der positiven und negativen Religionsfreiheit (Art. 4 GG).
Darüber hinaus schränkt die Genitalverstümmelung die Sexualität des späteren Mannes dauerhaft und irreversibel ein (s. hierzu Moses Maimonides) und führt in Einzelfällen zu Komplikationen bis hin zum Tod des Opfers aus Gründen der beliebigen Konstitution einer Religionsgemeinschaft. Dass Herr Beck dies nach wie vor völlig uneinsichtig verteidigt, beweist für mich wie gefährlich der Geisterglaube ist, wenn man die Opfer (auch Kopftücher tragen müssende Musliminnen!) völlig aus dem Fokus verliert und nur noch an ein archaisches, völlig überholtes Regelwerk denkt.
Interessanterweise erinnert sich Volker Beck urplötzlich an das Wächteramt des Staates, wenn es darum geht, den konstitutiven Glauben der Zeugen Jehovas, der die Verweigerung einer Bluttransfusion zwingend verschreibt, im Interesse deren Kinder zu ignorieren. Den resultierenden Schutz verweigert er aber – so Becks Meinung – Knaben, die zufällig in jüdische oder muslimische Familien geboren wurden.
Wir müssen lernen, dass Religionen immer einen patriarchalischen, vormodernen und antidemokratischen Kern enthalten, der von einem mehr oder weniger dünnen Deckmäntelchen aus spirituellen Gedanken mühsam verhüllt wird. Diese Hülle mag akzeptabel sein, wenn sie Einzelnen im Alltag hilft. Die sich darunter verbergende Ideologie jedoch auf keinen Fall. Dafür widersprechen sie in ihrem Wesenskern zu sehr unseren wichtigsten Verfassungsartikeln (1, 2, 3 und 4). Würde dieser Wesenskern von niemandem gelebt, wäre er also inaktiver Teil des religiösen Konstrukts, könnte man zur Tagesordnung übergehen. Jedoch erlebe ich in vielen Gesprächen mit Gläubigen – auch mit Christen -, dass man dort hin und wieder auf keinen Fall bereit ist, die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen, die Höllenbedrohung Anders- oder gar Nichtgläubiger oder die Zwangsvereinnahme von Kindern zu religiösen Veranstaltungen aufzugeben. Von dem ganzen unwissenschaftlichen Firlefanz, den gerade Evangelikale missionarisch verbreiten, ganz abgesehen.
Es gilt unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Dies kann nicht mit dualistischen antidemokratischen und vormodernen Ideologien in unserer Mitte geschehen. Es liegt an den Religionsgemeinschaften, hier Vorschläge zu unterbreiten, wie eine künftige monistische demokratische und moderne Religion aussehen könnte. Ich bin gespannt…